Wie sich ja herumgesprochen hat, war das Haus Küneth-Radeloff persönlich bei den Olympischen Spielen 2012 in London vertreten. Die Weblinks rechts (paradox, ich weiß) erzählen einiges dazu. Manches klingt pathetisch, und ja: Die Gratwanderung zwischen Information, Freude und Eigenlob ist schwierig. Sorry, falls es nicht immer klappen sollte. Jedenfalls: Es kamen nun verständlicher Weise Fragen, wie sich das in allen Einzelheiten zugetragen hat. Um dem gerecht zu werden, und natürlich die aufregende Zeit mit Freunden zu teilen, gab es in 2012 diesen Blog - und es gibt eine Bildergalerie.

Es gibt aber noch einen Grund. Olympische Spiele werden oft kontrovers diskutiert: Das Flair des universellen sportlichen Großereignisses steht gegen die Kritik an den Kosten und an den ökologischen Nachteilen. Das Problem: Der Blick hinter die Kulissen, das objektive Bild, ist den meisten kaum möglich. Wir -die Leser dieser Zeilen und ich- haben nun ein Stück weit diese Chance. Das möchte ich gerne ermöglichen.


Alle Zeit der Welt


 

They say timing...is everything
But nothing you control
Cause there's always tomorrow
But tomorrow never knows
It's one day at

Time keeps running away,
no matter what's left behind,
it keeps on moving.
Tomorrow's not in today
and all of your yesterdays
are only a matter of time.

Anastacia, Time (Athen 2004)
Olympic Lyrics Collection #4

Im Leben wie bei Olympia vergeht die Zeit schneller als man denkt und manchmal rücksichtsloser als einem lieb ist. Wo sonst könnte man auf diesen Gedanken kommen, wenn nicht am 0. Längengrad in London-Greenwich, der Quelle aller Zeit der Welt.

Die Zeit des Lebens in Greenwich Mean Time läuft also schon wieder ab für mich, und am Donnerstag um 14:00 landet Weilheim-Garmischs offenbar einizger Olympiateilnehmer wieder in München. Natürlich gibt es vorher noch ein paar Excel-Impressionen und ein größeres Resumee. Aber ein erster Rückblick zeigt: Teilgenommen habe ich eigentlich an vielen Disziplinen:

  • Tischtennis natürlich
  • 20 km Gehen (schließlich habe ich das Sightseeing zu Fuß und per U-Bahn bewältigt, ich lauf ja gern viel)
  • 200 m Sprint (als wir einen Schläger zwischen Einzel und Doppel getestet haben; Zeit vom Court raus in die Racket Control, Testen und wieder zurück, ohne zu rennen, weil das schlecht aussieht - 3:45 [WR] [OR] 😄 )
  • 400 m Hürden (irgendwie muss man ja um die Menschentrauben im Excel rumkommen)
  • Basketball (leere Wasserflaschen aus 5 m Entfernung in die Recyclingbox werfen)
  • Und das Straßenradrennen folgt dann wieder ab kommenden Samstag - darauf freue ich mich jetzt am meisten !! 🙂

Grüner wird's nicht

Grundsätzlich (oben) sieht das Londoner Finanz- und Büroviertel Canary Wharf ("Anlegestelle für Kanarienvögel" - wie passend für die Businesstypen, die dort rumlaufen 😜) aus der Ferne erst mal aus wie alle anderen, in München-Unterföhring, München-Neuperlach, Frankfurt...

 

... aber das ändert sich schnell, wenn man mal durchspaziert. Ich glaube nicht, dass es bei mir in Unterföhring jemals einen Park mit Blumenbeeten oder ein Wäldchen mit Bachlauf geben wird. Orte, die viel kleiner sind und viel mehr Platz dafür hätten, könnten sich in diesem Punkt von der 10-Millionen-Stadt London eine Scheibe abschneiden.


Auch sonst wirkt London, gemessen an der hohen Bevölkerungsdichte, ziemlich grün, und meine englischen Schiedsrichterkollegen haben mir auch bestätigt, dass das nicht nur wegen der Spiele so aufgemotzt wurde. Na gut, bei der Käfighaltung, die in englischen Büros üblich ist, ist das wohl als Ausgleich auch nötig. Wir Münchner leben da auf der Insel der Seligen -was kein Grund ist, das Äußere eines Büroparks als Wüste zu belassen... 

Spiele hinter Gittern

Eine der großen Schattenseiten sind die -wenn auch verständlichen und offensichtlich wirkungsvollen- Sicherheits- Maßnahmen: Flughafenscanner an jedem Eingang, Signalzäune, Flutlicht, Soldaten.

Das Olympiastadion hinter Gittern; in allen Zelten stehen Scanner, um die Tausenden von Menschen durchzuschleusen.


Genau so hat es früher in meiner Heimat an der Grenze zwischen den beiden deutschen Staaten ausgesehen.


"Grenzübergang" ExCel-London.

Wenn's denn sein muss. Aber von alldem sieht der Fernsehzuschauer natürlich nichts. Er bekommt eine Welt der unbeschwerten Spiele gezeigt. Das sind sie im Kern bislang auch - nur der Weg dahin, bis in die Arenen, ist mühselig und irgendwie bedrückend.

Expo 2012

Im Prinzip kann man sich das vielzitierte "Olympische Flair" vorstellen wie eine Mischung aus Expo und Bundesgartenschau. Die Bauten sind genauso abwechslungsreich und die Beflanzung genauso sattgrün - nur dass in den Gebäuden eben keine Länder, sondern Sportarten vorgestellt werden und die Menschen im Park auf Großbildleinwänden Tennis gucken anstatt Konzerte zu hören. -- Eine kleine Bildauswahl aus dem Olympiapark in London-Stratford (zeilenweise von links nach rechts), ein Stadtteil, der vorher eine ziemliche Brachlandschaft gewesen sein muss:

1) Welcome to the United Kingdom - man weiß gleich, in welchem Land man ist.
2) Das "Aquatic Centre" für die Schwimm-Wettbewerbe
3) Die "Copper Box" - in der schlichten Kupferkiste wird das Handball-Turnier gespielt
4) ParkLive - die Großbildleinwand für Menschen ohne Ticket, die dann eben auf dem Rasen picknicken
5) Die Basketball-Arena; wird nach den Spielen wieder abgebaut - im Sinne der Nachhaltigkeit
6) Das Velodrom für die Bahnradrennen
7) BUGA-Feeling: Eine kleine Konzertbühne im Grünen mitten im Park, durch den sich der River Lea zieht...
8) ... den man hier im Vordergrund sieht, dahinter die Riverbank-Arena für das Hockey-Turnier
9) Noch mehr BUGA: Natürlich kann man vor der Bühne auch am Rasen sitzen und gemütlich zuhören.
10) Wobei man sich beim Blick auf den Zaun auch in einem anderen, nicht mehr existierenden Staat, fühlen könnte. Der gesamte Gebäudezug im Hintergrund ist das Olympische Dorf.
11) Olympiastadion und links daneben der Schrottturm, der Kunst sein soll und den Namen "Orbit" trägt. Dient wenigstens  als guter Orientierungspunkt.
12) Nochmal der Moderne-Kunst-Turm "Orbit", beleuchtet und aus der Nähe wird man auch nicht schlauer draus.

Mehr zu den Olympic Venues außerhalb des Parks (insbesondere natürlich dem ExCeL), dem satten Grün selbst im Finanz- und Büroviertel Canary Wharf, aber auch den Spielen hinter Gittern, in späteren Beiträgen.

Tuned to perfection

"Alle Spiele, alle Tore" hieß mal das Motto einer Sportsendung im deutschen Bezahlfernsehen.

"Alle Tische, alle Matches" heißt es bei unserer olympischen Schlägerkontrolle. Das führt dazu, dass in den Team-Wettbewerben, die gestern begonnen haben, praktisch zeitgleich 4 Tische mal 2 Teams mal 3 Schläger überprüft werden. Der Alptraum: Ein Spieler macht am Tisch die Box auf und sagt: "Das ist nicht mein Schläger". Unsere Wirklichkeit: Es ist uns kein einziges Mal passiert. Und das bei einer Geschwindigkeit, ohne jemals den Spielbetrieb auch nur um eine Minute verzögert zu haben und bei einer Geräuschlosigkeit, ohne den Spielern im Geringsten auf die Nerven zu gehen. "Well done" ist das, was wir zu hören bekommen. Neben dem ganzen Sightseeing und der Tuchfühlung mit Ringen, Medaillen und Topspielern aus aller Welt, ist auch das ein sehr aufregendes Gefühl. "Total control" beim wichtigsten Turnier der Welt.

Aus nächster Nähe

Der aufregendste Moment der Reise scheint gekommen: Während die Finalspiele laufen, werden die Medaillen im Call Room bereit gelegt, um von dort aus von Soldaten der britischen Armee zum Siegerpodest gebracht und den ersten Drei überreicht zu werden.

Es gibt so vieles, was ich bei einer weiteren Reise nach London noch mal fotografieren kann - aber den Medaillen, die für den Sport die Welt bedeuten, auf einen Millimeter nahe zu kommen, das wird nie wieder so sein. Da schlottern einem die Knie und man bekommt feuchte Augen ...

Einer der -relativ wenigen- wirklichen "Once in a lifetime" - Momente in diesen zwei Wochen.


"Please do not put on social networks (i.e. Facebook, Twitter)" und "Please do not touch the medals" steht auf dem Schild rechts neben mir. Das letztere versteht sich von selbst (auch wenn es einen natürlich in den Fingern juckt) - und das erstere befolge ich auch gerne, denn von einer privaten Homepage haben sie interessanter Weise ausdrücklich nichts gesagt.