Wie sich ja herumgesprochen hat, war das Haus Küneth-Radeloff persönlich bei den Olympischen Spielen 2012 in London vertreten. Die Weblinks rechts (paradox, ich weiß) erzählen einiges dazu. Manches klingt pathetisch, und ja: Die Gratwanderung zwischen Information, Freude und Eigenlob ist schwierig. Sorry, falls es nicht immer klappen sollte. Jedenfalls: Es kamen nun verständlicher Weise Fragen, wie sich das in allen Einzelheiten zugetragen hat. Um dem gerecht zu werden, und natürlich die aufregende Zeit mit Freunden zu teilen, gab es in 2012 diesen Blog - und es gibt eine Bildergalerie.

Es gibt aber noch einen Grund. Olympische Spiele werden oft kontrovers diskutiert: Das Flair des universellen sportlichen Großereignisses steht gegen die Kritik an den Kosten und an den ökologischen Nachteilen. Das Problem: Der Blick hinter die Kulissen, das objektive Bild, ist den meisten kaum möglich. Wir -die Leser dieser Zeilen und ich- haben nun ein Stück weit diese Chance. Das möchte ich gerne ermöglichen.


World Picture

Die beigefügten Bilder des deutschen Schiedsrichter - Teams in London sind das Weltbild, somit offiziell zur allgemeinen Verbreitung freigegeben und dürfen nicht verändert werden. 

(Kleiner Seitenhieb auf die TV-Gepflogenheiten der letzten Fußball - EM).

Oder um es mit der Olympic Lyrics Collection #3 auszudrücken:

You're a winner
For a lifetime

If you seize
That one moment in time,

Make it shine.

Give me one moment in time
When I'm more than I thought I could be.
When all of my dreams are a heart beat away
And the answers are all up to me.

Whitney Houston,
One moment in time
(Seoul 1988
)

Spannung und Sightseeing

Was für ein Turnierverlauf aus deutscher Sicht! Zuerst scheidet Timo Boll am Montag Abend völlig überraschend bereits im Achtelfinale aus, so wie schon in Peking. Das deutsche Lager war nach dem 1:4 leicht schockiert, zumal ja nur zwei Chinesen im Einzel starten durften und damit eine Medaille für Boll näher war als je zuvor. -- 24 Stunden später dann eines der besten Matches aller Zeiten, in dem Dimitrij Ovtcharov nach 2:0-Führung und 2:3-Rückstand mit einem 4:3-Sieg ins Halbfinale einzog - wobei ich das (so wie der Blatter Sepp im Fußball) direkt in Verlängerung der Mittellinie von der VIP-Tribüne aus miterleben durfte.

Ein Glück dass es beim Tischtennis spannend genug ist, denn mit den anderen Sportarten wird es nichts: Kein Witz - die Tickets sind nur online buchbar und können nur mit einer Kreditkarte derjenigen Firma bezahlt werden, die zu den Hauptsponsoren zählt. Das ist die dümmste Marketingstrategie, die ich je gesehen habe: Ich werde bestimmt nicht meine Kreditkarte gegen eine in Deutschland weit weniger verbreitete tauschen, nur um einmal für 50 Pfund ins Schwimmstadion zu kommen - und wenn ich jemals eine neue brauche, dann bestimmt nicht von der Firma, die mich daran gehindert hat. 😋

Dann eben etwas Sightseeing: Big Ben (ich war sogar pünktlich zu dem berühmten Glockenschlag), Buckingham Palace (für einen Königspalast eigentlich angenehm banal und man kann direkt davor stehen - very british eben), Westminster Abbey (eine Kirche, die wesentlich zu groß ist, um sie auf ein einziges Bild zu bekommen, genauso wie St. Paul's Cathedral im übrigen). Ich habe es nicht nachgelesen, aber es sieht so aus, als wären Repräsentativbauten in London doch alle eine Nummer größer als in Deutschland. Groß genug jedenfalls, um nach 4 Stunden Spaziergang erst mal viele Eindrücke verarbeiten zu müssen.

Mehr dann am Donnerstag nach dem deutschen Medaillenspiel.

Eröffnungsfieber, aber etwas hoch

Die Stadt ist hell erleuchtet.
Hörst du die Schreie auf den Straßen ?
Die Menge wie sie tobt,
Den Jubel in den Gassen.
Sie strahlen in allen Farben,
Die Fahnen die sie schwenken.
Siehst du sie hüpfen springen tanzen,
Wir sie uns das Fieber schenken.

Christina Stürmer, Fieber (Euro 2008) - Olympic Lyrics Collection, #2

Das ist die eine Seite. Man sitzt da oben und spürt plötzlich: Das ist die größte Show aller Zeiten und eine Milliarde Menschen schauen uns live in diesem Stadion zu. Keine Frage, ein Bauchgefühl das mit Worten (anders als denen in blau) nicht zu beschreiben war und für das sich die Reise gelohnt hat.

Die andere Seite sind die Übertreibungen: Es wird langweilig, wenn immer noch und noch mehr britische Promis in die Show eingebaut werden, die Macher immer denken, sie müssten noch höher und weiter als die Vorgänger springen. Und ein Rockkonzert, bei dem man zeitweise an Gehörschaden denkt, fand ich jetzt auch nicht so ganz passend unter dem Titel "Olympic Opening Ceremony". Die Reden von Sebastian Coe und Jacques Rogge waren beide von der Stange und nicht wirklich geeignet, olympischen Geist zu verbreiten.

Wiederum andererseits die beeindruckende Inszenierung der Entwicklung Englands vom Farmland über den Industriestaat des 19./20. Jahrhunderts zum modernen Hightechland - einschließlich eines Abrisses der großartigen Musikgeschichte, die dieses Land in meiner Jugendzeit und davor und danach geschrieben hat. Und natürlich der Einlauf der Athleten (im mittleren Bild: das deutsche Team) und die Entzündung der Flamme - der 204 Flammen genauer gesagt, die dann zu einer wurden (unteres Bild). Das war eine tolle Idee, die die Erfinder tags darauf in BBC Sports wie folgt erklärt haben: "Wir wollten nicht schon wieder einen größeren Flammentrog bauen als alle Spiele vorher - wir wollten etwas anderes, neues ausprobieren." Well done!
Viel, viel mehr ganz persönliche Fotos von dieser Show noch im Lauf des Blogs, irgendwann im Herbst als Bildergalerie auf der Website - und natürllich für Euch alle direkt am Notebook beim persönlichen Wiedersehen. 

Arbeitsnachweis

Hurra, die ersten zwei Arbeitstage sind geschafft und wie erhofft reibungslos und als professionelle Dienstleistung für die Spieler über die Bühne gegangen. Montag habe ich einen freien Tag - aber zuerst muss ich natürlich beweisen, dass das alles nicht frei erfunden ist. Foto 1: Im legeren Teil der Arbeitskleidung, die wir gleich mal "Olympic Casual" getauft haben. 😄

Die "richtige" Schirikleidung ist auch schon abgelichtet - aber Claudia Möller und ich müssen erst mal Speicherkarten austauschen.

 


Foto 2: Die Olympischen Ringe an der Tower Bridge waren ja schon 100 Mal in den Medien ... aber nicht von unten ! 🙃

Natürlich habe ich für Euch auch noch weniger alberne Fotos von diesem tollen Motiv, z.B. eine Sequenz, wie sie gerade heruntergelassen werden (die Tower Bridge ist schließlich eine Zugbrücke...).

 


Foto 3: Zu Beginn der Eröffnungsfeier, die den Titel "The Isle of Wonder" trug, wurde England als Insel mit einer Darstellung von Wasser untermalt. Diesen Wasserteppich haben bestimmt auch alle gesehen .... aber nicht von innen nach außen! 😎

 

Apropos Eröffnungsfeier - dazu natürlich mehr im nächsten Blogbeitrag.

 

Kleider machen Leute müde

Zwischen der voluntary test session, die soeben -natürlich reibungslos- zu Ende gegangen ist, und der Eröffnungsfeier ist nun wenig Zeit, daher ein Update im Telegrammstil: Die Uniformen sehen nicht schlecht aus, nur an sie ranzukommen war ähnlich aufwändig wie bei der Bundeswehr: Busfahrt zu einer umgenutzten Barracke, die sich UDAC nennt (Uniform Delivery and Accreditation Centre), eine Nummer ziehen, eine Stunde warten, ab in die Umkleide, einen persönlichen Schneider zugeteilt bekommen, fünf Größen durchprobieren (die Datenbank im November war nur dazu da, dass sie ungefähr die richtige Menge von allem haben), zwei riesige Kartons in die Hand gedrückt bekommen (wie bekomme ich die in den Flieger ?), noch eine Stunde auf die Rückfahrt warten - schon ist der Tag um, ohne dass man was getan hat.

Außer noch ein wenig hinter die Kulissen zu blicken und festzustellen, wie supergenau hier alles genommen wird. Mit Tischtennis werden die Spieler und wir hier weniger Zeit verbringen als mit den Formalitäten - zum Beispiel mit dem Entfernen der Herstellerzeichen auf dem Schlägerkantenband.

Mehr dann in ungefähr 48 Stunden (evtl. mit 1-2 von den Fotos, von denen wir hier gegenseitig schon reichlich machen) - nach der Eröffnungsfeier kommen erst mal die zwei 14-Stunden-Tage ...

London calling

So, hier bin ich !  Die "Games Family Lane" macht's möglich: So schnell war ich noch nie im Ausland durch einen Flughafen durch. Heathrow, Mittwoch 14 Uhr - Landung. 14:10 - Passkontrolle am separaten, olympischen Schalter der britischen Grenzpolizei (nichts los, alle sehr freundlich). 14:15 - Ausstellen der Akkreditierung an einem Helpdesk mit gefühlt 20 Schaltern nur für uns (nichts los, alle sehr freundlich). 14:20 - Gepäck entgegenehmen. 14:25 - durch den Ausgang, vorbei an einem Spalier von Abholern und Pressefotografen (endlich mal nicht für mich ;-) 14:30 - im Heathrow Express zur Innenstadt. Es kam mir vor, als wäre ich der Einzige am Terminal 1 gewesen.

Das längste an der Anreise war der Weg mit dem Taxishuttle von der Innenstadt ins Hotel. Auch wenn uns zig Volunteers vom Bahnhof ins Taxi verfrachtet und auch das rasen schnell erledigt haben: Die Olympic Lanes gibt es eben auch nicht auf jedem Meter; aber sie sind da und ich war drauf. Genau wie auf der Tower Bridge übrigens, die ja mit den riesigen Ringen bestückt ist (das Bild kennt Ihr sicher alle). Denn wie erwartet - der Abend war frei für's erste Sighseeing. Die Medaillen aus dem Tower of London zu stehlen (wie einige Freunde vorschlugen) scheint leichter als gedacht, denn das ist ja gar kein Turm, bloß eine Festungsanlage...

Wie auch immer: transportation hat hier so funktioniert, wie ALLE Turnierveranstalter von sich gemeinhin vorher behaupten. Nur: HIER klappt's eben wirklich. Vielleicht macht das ja den olympischen Unterschied 🙂

Dazwischen war auch noch Zeit, die Halle schon mal in Ruhe zu checken. Irgendwie ist es wie vor jedem Turnier: Man steht mitten auf dem Court, schaut in die leere Halle, sucht sich die Räume zusammen, sieht den Arbeitern bei den letzten Aufbauten zu, sagt nebenbei mal "Hi" zu Wang Hao - man kennt sich ja schon länger, die Orte wechseln, die Spieler bleiben dieselben. Nur dass überall Ringe drauf sind, ist hier ein klein bisschen anders: Auf den Netzen, den Tischseiten, den Umrandungen, ... Na dann !