Wie sich ja herumgesprochen hat, war das Haus Küneth-Radeloff persönlich bei den Olympischen Spielen 2012 in London vertreten. Die Weblinks rechts (paradox, ich weiß) erzählen einiges dazu. Manches klingt pathetisch, und ja: Die Gratwanderung zwischen Information, Freude und Eigenlob ist schwierig. Sorry, falls es nicht immer klappen sollte. Jedenfalls: Es kamen nun verständlicher Weise Fragen, wie sich das in allen Einzelheiten zugetragen hat. Um dem gerecht zu werden, und natürlich die aufregende Zeit mit Freunden zu teilen, gab es in 2012 diesen Blog - und es gibt eine Bildergalerie.

Es gibt aber noch einen Grund. Olympische Spiele werden oft kontrovers diskutiert: Das Flair des universellen sportlichen Großereignisses steht gegen die Kritik an den Kosten und an den ökologischen Nachteilen. Das Problem: Der Blick hinter die Kulissen, das objektive Bild, ist den meisten kaum möglich. Wir -die Leser dieser Zeilen und ich- haben nun ein Stück weit diese Chance. Das möchte ich gerne ermöglichen.


Da ist das Ding !

Montag, 18. Juni 2012: Ein Ex-FCB-Torhüter hätte es jedenfalls so formuliert. Einige Wochen war er angekündigt, nun kam er per Kurierdienst auch an: Der spannendste Ausweis in der Geschichte (meiner Geschichte zumindest). Muss bei der Ankunft auf dem Flughafen Heathrow noch mit dem Reisepass validiert werden - in einem eigens dafür dort eingerichteteten Validation Centre... 

Und wer sagt's denn - am selben Tag kommt (allerdings ganz profan per E-Mail), der Leitfaden "Olympisches Tischtennisturnier für Anfänger". Offzieller Name allerdings

Olympic Technical Officials' Guide

Enthält alles über unsere Prozeduren, Verpflichtungen und den Spielplan des Turniers. Wen es wirklich interessiert, hier die Highlights:

  • Seite 13: Was wir Schickes bekommen werden.
  • Seite 14: Die Eröffnung - wir sind dabei.
  • Seite 21: Mein Arbeitsnachweis
  • Seite 23: Spielsystem
  • Seite 26/27: Mein Reich

Jetzt kann das große Kribbeln beginnen !😃

Wohnen und Arbeiten

Dienstag, 12. Juni 2012. Aber immerhin, ein bisschen was tut sich.

Beim DTTB-Top 48 Turnier der Jugend im November 2011 im schönen Bad Königshofen habe ich im "Schlundhaus" gewohnt, einem schönen, urigen Gasthof mitten auf dem gemütlichen Stadtplatz. War echt zu empfehlen. In Luxemburg war es dann schon d'Coque, das Eventzentrum der Messestadt mit angeschlossenem Sporthotel. Nun geht's noch eine Etage höher: Das Crowne Plaza London Docklands, vier Sterne nahe der Themse und 200 Meter von der ExCel-Halle entfernt - das ist doch schon mal eine Ansage. Die vor etwa einer Woche bekannt gegeben wurde.

In der Zwischenzeit hat das dreiköpfige Racket Control Team auch seine Vorbereitung für die eigentliche Arbeit begonnen. Excelsheets programmieren, Zeitpläne diskutieren. Wie bei jedem anderen Turnier auch. 

Wenn's mal wieder länger dauert

Dienstag, 12. Juni 2012. Welt-Sportereignisse sind ja dafür bekannt, dass die Sportstätten erst in letzter Minute fertig werden. Mit den Infos an die Teilnehmer scheint das ganz ähnlich zu sein: Jedenfalls warten wir auch sechs Wochen vor dem Abflug noch auf die Akkreditierungen (die immerhin per Kurierdienst nach Hause kommen und nicht wie sonst am Vorabend im hintersten Winkel der Halle gefunden werden müssen), die "Directives for Technical Officials", in denen uns das Orga-Kommittee LOCOG mitteilen wird, wann wir wo wie hinzulaufen haben - und damit natürlich auch alle Details über die Eröffnungsfeier. Ich kann also noch nicht sagen, ob und wie ich am 27. Juli auf ARD und ZDF zu sehen sein werde ... Tongue out 

Dabei scheint die Zeit rasend schnell zu vergehen: Von den acht Monaten seit der Nominierung sind sechseinhalb schon um; vom Radiointerview "100 Tage bis zu den Spielen" sind nur noch 45 Tage übrig geblieben. Und noch immer ist das "Große Kribbeln" eigentlich selten - aber doch gelegentlich.

Keine Nachrichten gehört ?

Mittwoch, 18. April 2012. Es gibt ja immer noch Menschen, die mich fragen, wo wir denn dieses Jahr unseren Sommerurlaub verbringen. Denen stelle ich dann augenzwinkernd folgende Gegenfrage:

" Lesen Sie keine Zeitung ?         Hören Sie kein Radio ?  "

(Radiomitschnitt vom 18.4. mit freundlicher Genehmigung von Radio Oberland)

So ist es nun, 100 Tage vor Beginn der Spiele, und Isabel beginnt augenzwinkernd anzumerken, ob wir für die Journalisten, die in Kürze unser Haus belagern werden, Häppchen vorbereiten sollen. Spaß beiseite, die Landkreise Weilheim und Garmisch haben zusammen 200.000 Einwohner, und ich war der einzige Olympia-Teilnehmer, der gefunden werden konnte. Da wird es einem kurz mal schwindlig. Aber statistisch betrachtet kommt das hin, und die Medien-Berichterstattung ist wirklich angemessen begrenzt und sachlich.

Wirklich Eindruck kann ich da schon eher mit folgender Aussage machen: "Meine diesjährigen Sommerferien werden von 25.000 Sicherheitskräften geschützt." Wink 

Das härteste Turnier der Welt

Sonntag, 15. April 2012. Nein, gemeint ist nicht das olympische Tischtennisturnier, das ja nur aus jeweils rund 80 Damen und Herren besteht - sondern das Turnier, um dorthin überhaupt zu kommen: 50 Damen und 70 Herren aus Europa, die nicht als TOP 28 der Weltrangliste direkt qualifiziert sind, haben beim "European Olympic Qualifying Tournament" vom 11.-15.4. in Luxemburg um jeweils weitere 11 Startplätze gekämpft. Das Schöne: In 120 Pflichttests musste ich keinen einzigen unzulässigen Schläger feststellen. Das Anstrengende: Nur die besten 32 kamen überhaupt aus den Gruppen in die Hauptrunde, wo sie an drei Tagen bis zu drei Mal ein komplettes KO-System durchlaufen mussten und nur die jeweiligen Gewinner qualifiziert sind, während die übrigen am nächsten Tag es von vorne versuchen mussten. Das bedeutete bis zu 10 Spiele (best of seven games !) binnen 3 Tagen - dagegen ist die ITTF Pro Tour ein Kindergeburtstag.

Noch beeindruckender war aber, wie sehr Olympische Spiele sich auch für die Spieler von allen anderen sportlichen Zielen abheben, die sie jemals erreichen können: Ich habe Spieler, die ich seit Jahren nur emotionslos kenne, nach dem Finalsieg jubelnd durch die Box sprinten, ihren gesamten Trainerstab dreimal abklatschen und anschließend Freudentränen heulend neben dem Court sitzen sehen. Und ich habe natürlich auch die Schattenseiten gesehen: Eine Spielerin, die fünf Matchbälle zum London-Ticket hatte, das Match und das Ticket verlor und in unserem racket control room anschließend, kaum ansprechbar, mehr Taschentücher gebraucht hätte als wir alle zusammen ihr hätten geben können.

Es war ganz offensichtlich das Turnier, das den Spielern im 4-Jahres-Zyklus am meisten bedeutet. "Geschafft" hat es der, der hier gewinnt. Von der Goldmedaille träumen diese Spieler nicht wirklich - das Hinfahren war ihr großes Ziel. Es war daher auch für mich ein ganz besonderes Turnier und eine aufregende Woche, hier schon dabeizusein.

Verboten ? Erlaubt ? Logisch !

Montag, 6. Februar 2012: Keine journalistische Tätigkeit, keine Werbeverträge, keine Fotos für kommerzielle Zwecke. Das sind einige der Dinge, die der Olympia-Teilnehmer in einer Vereinbarung unterschreiben muss, die heute über die ITTF zugeschickt wurde. Das Benutzen des Fünf-Ringe-Logos ist ebenso wenig gestattet wie etwa das Wort Olympia im Domainnamen der privaten Homepage. Klingt auf den ersten Blick nach großer Verbots-Liste, ist aber mit gesundem Menschenverstand alles logisch: Die Marke Olympia ist nun einmal geschützt, und der Teilnehmer wird daran erinnert, dass er nicht in kommerzielle Konkurrenz zum Markeninhaber IOC treten darf. Konsequenter Weise darf man nach Herzenslust private Fotos, Videos und Blogs wie diesen erstellen. Mehr hatte ich auch nicht vor. Cool 

Dass Daten und Bilder meiner Person dem IOC praktisch zur freien Verfügung stehen und auch an Sicherheitsbehörden weitergegeben werden, ist ebenfalls Teil der Vereinbarung. Beeindruckt mich nicht. Genauso wenig wie die Teilnahme auf eigene Gefahr. Es ist klar, dass Olympische Spiele nicht anders organisiert werden können.